Kein Niqab am Steuer: Gericht weist Klage ab
Manuel Cran | M.Sc. Psychologie und Fachpsychologe für Verkehrspsychologie BDP
Darf eine Muslimin mit Gesichtsschleier Auto fahren? Diese Frage hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin verneint und eine Ausnahmegenehmigung abgelehnt. Die 33-jährige Klägerin hatte argumentiert, dass das Verbot ihre Religionsfreiheit verletze. Doch das Gericht entschied, dass die Pflicht zur Erkennbarkeit im Straßenverkehr schwerer wiege als das individuelle religiöse Interesse. Welche Konsequenzen hat das Urteil, und was bedeutet es für ähnliche Fälle?
Das Verfahren vor dem VG Berlin
Die Klage und ihre Begründung
Die Klägerin berief sich auf ihr Grundrecht der Religionsfreiheit nach Artikel 4 Absatz 1 Grundgesetz (GG). Sie verlangte eine Ausnahmegenehmigung, um während des Autofahrens einen Niqab tragen zu dürfen, der ihr Gesicht mit Ausnahme eines Sehschlitzes verdeckt. Ihre Begründung: Sie wolle selbst entscheiden, wer sie sehen darf. Zudem sei sie auf das Auto angewiesen, um zur Arbeit zu fahren.
Die rechtliche Grundlage
Laut § 23 Absatz 4 Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) darf der Fahrer eines Kraftfahrzeugs sein Gesicht nicht verhüllen. Dies dient der Identifizierbarkeit im Straßenverkehr, insbesondere bei automatisierten Verkehrskontrollen oder Verstößen gegen die Verkehrsregeln. Eine Ausnahmegenehmigung kann nach § 46 Absatz 2 Satz 1 StVO nur in bestimmten Einzelfällen erteilt werden. Das VG Berlin sah hier jedoch keinen hinreichenden Grund, um die Ausnahme zu gewähren.

Das Urteil
Das Gericht lehnte die Klage ab. Die Vorsitzende Richterin erklärte, dass die Erkennbarkeit der Verkehrsteilnehmer eine essenzielle Voraussetzung für die Verkehrssicherheit sei. Das Verhüllungsverbot erleichtere die Verfolgung von Verkehrsverstößen und diene damit dem Schutz der Allgemeinheit. Zwar stelle das Verbot einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, doch in der Interessenabwägung habe der Schutz der öffentlichen Sicherheit überwogen.

Die Argumente der Klägerseite
Der Anwalt der Muslimin, Benjamin Kirschbaum von der Kanzlei Winheller, zog Parallelen zu Motorradfahrern, die aufgrund der Helmpflicht ebenfalls nicht erkennbar seien. „Warum gelten für Pkw-Fahrer strengere Regeln?“, so seine Argumentation.
Das Gericht ließ sich davon jedoch nicht überzeugen. Die Unterschiede zwischen einem Motorradhelm und einem Niqab seien gravierend: Ein Helm werde nur aus Sicherheitsgründen getragen und sei leicht abnehmbar, während ein Niqab eine dauerhafte Gesichtsverhüllung darstelle, die nicht mit der Verkehrssicherheit vereinbar sei.
Auswirkungen der Entscheidung
Keine Präzedenzfälle für Ausnahmegenehmigungen
Die Entscheidung des VG Berlin steht im Einklang mit früheren Urteilen zu ähnlichen Fällen. In Rheinland-Pfalz hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz bereits 2024 einen ähnlichen Antrag abgelehnt. Auch das OVG NRW entschied, dass das Verhüllungsverbot beim Autofahren rechtmäßig sei. In Berlin wurde bislang keine einzige Ausnahmegenehmigung für das Tragen eines Niqab während des Fahrens erteilt.

Mögliche Rechtsmittel
Die Klägerin hat die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Sollte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Berufung zulassen, könnte es zu einer neuen rechtlichen Bewertung kommen. Allerdings deuten bisherige Entscheidungen darauf hin, dass eine erneute Klage geringe Erfolgschancen hätte.
Fazit
Das Urteil des VG Berlin bestätigt die bestehende Rechtsprechung: Das Verhüllungsverbot im Straßenverkehr bleibt bestehen, auch wenn religiöse Gründe geltend gemacht werden. Die Pflicht zur Erkennbarkeit im Straßenverkehr dient der Verkehrssicherheit und der effektiven Durchsetzung von Verkehrsregeln. Der Versuch, eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken, ist daher juristisch schwer durchsetzbar.
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Häufig gestellte Fragen