Der blinde Fleck im deutschen Verkehrsrecht
Manuel Cran | M.Sc. Psychologie und Fachpsychologe für Verkehrspsychologie BDP
Stell dir vor, du stehst an der roten Ampel. Neben dir im Auto ein rauchender Fahrer, auf dem Rücksitz ein Kleinkind, auf dem Beifahrersitz eine hochschwangere Frau. Der Innenraum ist voller Qualm – und du fragst dich: Darf man das eigentlich? Die Antwort lautet: Ja, das ist erlaubt.
So absurd es klingen mag – in Deutschland ist das Rauchen im Auto nicht verboten, selbst wenn Kinder oder Schwangere mitfahren. Dieser rechtliche Zustand steht im klaren Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Gefahren des Passivrauchens und den Schutz besonders vulnerabler Gruppen. Doch warum existiert diese Gesetzeslücke – und welche Konsequenzen hat sie?
Kein Rauchverbot im Auto – der rechtliche Status quo

Auto = privater Raum: Das juristische Argument
In Deutschland gilt das Auto juristisch als privater Raum – ähnlich wie die eigene Wohnung. Solange keine spezifischen Regelungen greifen, darf hier also grundsätzlich geraucht werden. Auch wenn auf dem Rücksitz ein Baby sitzt oder eine schwangere Person mitfährt, liegt keine Ordnungswidrigkeit vor. Was für viele wie ein Skandal wirkt, ist tatsächlich geltendes Recht.
Gescheiterte Gesetzesinitiativen – Datenschutz vs. Kinderschutz
Zahlreiche Gesetzesentwürfe aus Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen scheiterten regelmäßig an der Mehrheit im Bundestag. Die häufigsten Argumente der Gegner: Datenschutz und verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Einschränkung der persönlichen Freiheit im privaten Raum.
Die Faktenlage: Was Passivrauchen im Auto wirklich anrichtet

Innenraum = Giftkammer: Warum das Auto besonders gefährlich ist
Der Innenraum eines Fahrzeugs ist ein geschlossener Raum – auch bei geöffnetem Fenster. Studien zeigen, dass sich beim Rauchen im Auto die Konzentration von Feinstaub und krebserregenden Stoffen wie Benzol, Formaldehyd oder Schwermetallen um ein Vielfaches erhöht. Der Rauch bleibt in der Luft, setzt sich auf Oberflächen ab und wird durch die Klimaanlage verteilt.
Quelle:
Fakten zum Rauchen: Gesundheitsgefährdung von Kindern durch Tabakrauch im Auto. 2018
Studien belegen massive Gesundheitsrisiken
Kinder atmen schneller, ihr Immunsystem ist noch nicht vollständig entwickelt, und sie können sich nicht wehren. Für ungeborene Kinder im Mutterleib drohen laut medizinischer Forschung erhöhte Risiken für Frühgeburten, Entwicklungsverzögerungen, Atemwegserkrankungen und ein niedriges Geburtsgewicht.
Quelle:
WHO report on the global tobacco epidemic, 2023: protect people from tobacco smoke

Gefährliche Ablenkung am Steuer
Rauchen ist nicht nur ein gesundheitliches Problem, sondern auch ein sicherheitsrelevantes. Studien der Deutschen Verkehrswacht und des ADAC zeigen, dass das Hantieren mit Zigaretten, Feuerzeugen oder dem Aschenbecher während der Fahrt eine ähnlich hohe Ablenkung verursacht wie ein Handy.

Europas Antwort: Rauchverbot mit klaren Kanten
Andere Länder sind längst weiter
Viele europäische Nachbarn haben das Problem erkannt – und gehandelt. Ein Überblick:
- Österreich: Rauchverbot im Auto, wenn Kinder unter 18 mitfahren (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG)
- Frankreich, Italien, Griechenland, Irland, Zypern: Rauchverbot bei Anwesenheit Minderjähriger und Schwangerer
- Griechenland: Bußgelder von bis zu 1.500 Euro möglich
Diese Länder stellen den Schutz von Gesundheit und Leben über die individuelle Freiheit im privaten Raum. Sie stützen sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse – und auf ein ethisches Verständnis von Verantwortung gegenüber Schutzbedürftigen.
Deutschland: Zwischen Verantwortung und Freiheitsbegriff
Verfassungsrechtlich machbar – warum ein Verbot möglich ist
Aus juristischer Sicht ließe sich ein solches Rauchverbot verfassungskonform gestalten. Denn dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit steht der Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter gegenüber – und dazu zählen Gesundheit und Leben von Kindern und ungeborenen Babys.
Warum freiwillige Selbstverantwortung nicht ausreicht
Die aktuelle deutsche Haltung setzt auf Eigenverantwortung. Doch diese Strategie verfehlt ihre Wirkung – denn Freiwilligkeit stößt dort an ihre Grenzen, wo Unwissen, Rücksichtslosigkeit oder Suchtverhalten im Spiel sind. Kinder und ungeborene Babys können sich nicht schützen. Wenn der Staat hier nicht eingreift, verweigert er den Schwächsten unserer Gesellschaft den Schutz, den sie dringend brauchen.
Fazit: Höchste Zeit für ein Umdenken
Du darfst im Auto rauchen, selbst wenn ein Baby oder eine Schwangere mitfährt – doch du solltest es nicht. Denn während der Gesetzgeber zögert, leidet die nächste Generation. Der gesundheitliche Schaden ist real, die Faktenlage eindeutig, und der internationale Vergleich beschämend.
Es ist Zeit für eine klare Linie: Rauchen im Auto mit Kindern oder Schwangeren gehört verboten – im Interesse unserer gemeinsamen Zukunft.
Falls Sie Fragen zur MPU-Vorbereitung oder zu Ihrer individuellen Situation haben, bieten wir von ON MPU umfangreiche Informationen und eine kostenlose Erstberatung an. Manuel Cran und sein Team stehen Ihnen für ein erstes kostenloses Beratungsgespräch zur Verfügung.
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Häufig gestellte Fragen