Im heutigen Ratgeber Beitrag wird die Problematik der Feststellung von Cannabiskonsum und dessen Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit beleuchtet. Viel Spaß beim Lesen!
📜 Hintergrund
Eins sollte klar sein: Ein neuer Grenzwert ist nur die halbe Miete. Damit die Entkriminalisierung auch praxistauglich ist, braucht es natürlich eine schnelle und nicht invasive Methode, um die Überschreitung des THC Grenzwerts auch zu überprüfen. Bei Verdacht auf Alkoholkonsum wird auch nicht jeder direkt zur Blutentnahme geschleppt, und etwas Ähnliches brauchen wir auch für Cannabis, um Beeinträchtigungen der Fahrtauglichkeit bei einer Verkehrskontrolle festzustellen.
In vielen Ländern wird nicht sofort ein Substanztest durchgeführt. Seit 1999 findet in den USA der sogenannte “Standardized Field Sobriety Test” (SFST) Anwendung. Der Test beinhaltet die Untersuchung der Pupillen auf Zuckungen oder Pendelbewegungen sowie die Überprüfung des Gleichgewichts durch spitzhackengang, Kertwende und Einbeinstand. Der SFST wurde entwickelt, um alkoholbedingte Beeinträchtigungen auf der Grundlage bekannter Symptome von Alkoholkonsum zuverlässig festzustellen.
Da nach dem Konsum von Cannabis jedoch andere Symptome auftreten, reagiert der SFST nicht so sensibel auf Cannabis bedingte Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit. Eine Studie aus 2017 kam zu dem Ergebnis, dass der SFST lediglich in 41% der Fälle Beeinträchtigungen durch Cannabis korrekt ermittelte.
💡 Das deutsche Pendant: DEc
In Deutschland gibt es das Programm zur Drogenbewertung und Klassifizierung, kurz DEc. Es besteht aus Tests der Koordinationsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Augenuntersuchungen, Messungen von Blutdruck und Körpertemperatur sowie einem Gespräch. Zwar lässt sich durch das DEc die Klasse der für die Beeinträchtigung verantwortlichen Drogen mit einer Genauigkeit von 95% bestimmen, strafrechtlich bringt das aber recht wenig, wenn man nicht genau sagen kann, ab welcher Schwelle diese Beeinträchtigungen auch einer Fahruntüchtigkeit entsprechen.
Die Durchführung des DEc wird im großen Maßstab zudem schwierig sein, da der bis zu einstündige Test meist auf einer Polizeiwache durchgeführt werden müsste und die Schulung spezialisierter Beamter Zeit und Geld in erheblichem Umfang erfordern würde.
🔬 Nicht-invasive Tests
Bisher haben nicht-invasive Tests vor Ort zur Feststellung von Cannabiskonsum drei Körperflüssigkeiten untersucht: Urin, Schweiß und Speichel. Im Urin befinden sich hauptsächlich die THC Carbonsäure, da sie als Abbauprodukt von Cannabis über den Harnweg ausgeschieden wird. Eine Metaanalyse des Instituts für Rechtsmedizin in Basel zeigte jedoch, dass der alleinige Nachweis der THC Carbonsäure keinen signifikanten Zusammenhang mit der Fahrtüchtigkeit hat. Personen, die positiv auf THC Carbonsäure getestet wurden, waren nicht häufiger Verursacher von Unfällen als nüchterne Fahrer. Urin können wir also direkt vergessen.
Es gibt auch drogenwischtests, die verbotene Substanzen über Schweiß nachweisen sollen. Diese Tests sind jedoch sehr fehleranfällig und können deshalb nicht vor Gericht als Beweismittel verwendet werden. Positive Ergebnisse von Wischtests sind sehr oft falsch positiv, da sie nicht auf THC, sondern auf die Carbonsäure oder THCA anschlagen. Der aktive Wirkstoff THC ist im Blut dagegen sehr oft negativ, da sich THC über den Blutkreislauf so gut wie gar nicht in Tal oder Schweißdrüsen ablagert im Gegensatz zur Carbonsäure.
Das THCA befindet sich oberflächlich auf Blüten und Blättern der Cannabispflanze, wodurch sich Anhaftungen auf Haut, Haaren oder Gegenständen durch äußere Kontamination ergeben können. Wischtests sind also auch nicht wirklich geeignet.
👄 Speicheltests
Speicheltests haben es tatsächlich schon in einigen Staaten geschafft, als gerichtsfest zu gelten. Für eine Verurteilung wird hier also keine Blutentnahme mehr gefordert. Dazu zählen Spanien, Frankreich, Zypern und der australische Bundesstaat Victoria. Das ist umso überraschender, da die Untersuchung von THC im Speichel an sich nur bedingt sinnvoll ist. THC ist nämlich nicht wasserlöslich, weswegen sich die THC Konzentration im Speichel bei gleichem THC Gehalt im Blut sehr stark interindividuell unterscheiden kann.
Im Vereinigten Königreich kam es deshalb zu Fällen, in denen der Speichel zwar positiv getestet wurde, aber die nachfolgenden Bluttests einen Wert in Höhe des gesetzlichen Grenzwerts oder darunter ergaben.
Ein Beispiel für ein mobiles Messgerät ist der DrugTest 5000, der THC mit Grenzwerten von 5, 10 und 25 Nanogramm pro Milliliter innerhalb von 5 Minuten messen kann. Allerdings können diese Atemgeräte keine Konzentrationen messen.
🌬️ Atemluftmessung
Als letzte Messmethode bleibt nur noch der Oden, also die Messung der THC Konzentration in der Atemluft. Bei Alkohol ist die Atemluftmessung schon lange der Goldstandard der mobilen Überprüfung der Fahrtauglichkeit, und es könnte auch bei Cannabis bald heißen: “Bitte gleichmäßig pusten, bis es klack macht”.
In Nordamerika gab es bereits 2016 und 2017 Durchbrüche. Die kanadische Firma Cannabix sowie das kalifornische Unternehmen Hound Labs vermarkten seitdem ihre Atemgeräte bzw. Breathalyzer. Auch in Deutschland haben Mitarbeiter des Leibnitz Instituts für Analytische Wissenschaften und der Technischen Universität Dortmund bereits 2016 ein Messgerät namens “IRondrug” entwickelt. Das Testergebnis soll innerhalb von 90 Sekunden mit einer Fehlerquote unter 1% vorliegen. Zudem kann das Gerät sogar unterscheiden, ob tatsächlich Cannabis geraucht wurde oder nur organisch produziertes Hanföl konsumiert wurde.
⚖️ Fazit
Alle Atemgeräte scheinen jedoch einen entscheidenden Nachteil zu haben: Sie können keine Konzentrationen messen. Das wird der deutschen Justiz vermutlich zu wenig sein. Während Breathalyzers zum aktuellen Zeitpunkt maximal als Screening-Instrument zu gebrauchen sind, wäre das schon ein Fortschritt im Vergleich zum bisherigen Urintest.
Das Damoklesschwert der Blutentnahme schwebt also nach wie vor über jedem, der in Deutschland zukünftig Cannabis konsumiert und von der Polizei im Straßenverkehr kontrolliert wird.
Besuche uns gerne auf TikTok, Instagram und Facebook, um mehr Informationen zum Thema MPU zu erhalten.
Bis zum nächsten Mal!