Ist die Legalisierung von Cannabis in Deutschland in Gefahr? Es wird immer deutlicher, dass die Umsetzung der kontrollierten Abgabe von Cannabis in Deutschland trotz Verankerung im Koalitionsvertrag letztendlich zu scheitern droht. Aktuelle Probleme und alle großen Steine auf dem Weg zur Legalisierung erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Nach der anfänglichen Euphorie über den Koalitionsvertrag vom 24. November 2021 und der darin beschlossenen Legalisierung von Cannabis, bildeten sich auf der Stirn vieler Sympathisanten in den letzten Wochen und Monaten immer größere Sorgenfalten. Die zwei großen Problembereiche sind dabei zum einen die politische Situation in Deutschland auf Länderebene und zum anderen internationale rechtliche Hürden, die einer Legalisierung noch im Weg stehen. Beginnen wir mal mit den innenpolitischen Problemen.
Gesetzgebung 1×1
Man muss dabei zuallererst mal wissen, wie Gesetze in Deutschland entstehen. Bei der Gesetzgebung sind auf der einen Seite der Bundestag mit derzeit 736 Abgeordneten, auf der anderen Seite der Bundesrat, in dem Repräsentanten aus allen Länderregierungen sitzen, beteiligt. Die Stimmrechte im Bundesrat richten sich dabei nach der Größe der Länder und es gibt insgesamt 69 Stimmen. Ganz zum Schluss muss der Bundespräsident, derzeit Frank-Walter Steinmeier, das Gesetz noch unterschreiben, aber das ist mehr Formsache. Sowohl Bundestag als auch Bundesrat können Gesetzesentwürfe einbringen, die in den meisten Fällen aber die Zustimmung des jeweils anderen Gremiums benötigen und genau hier ist der Hund begraben.
Zustimmungspflicht im Bundesrat
Im Falle einer Legalisierung müssten in vielen Bereichen Gesetze angepasst werden, die zum einen die Finanzen der Länder, aber auch die Arbeit der Landesbehörden selbst beeinflussen. Den Umfang dieser Mammutaufgabe erkennt man auch daran, dass an der derzeitigen Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs all diese Bundesministerien beteiligt sind: Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Auswärtige Amt (AA), Bundesministerium der Finanzen (BMF), Bundesministerium für Justiz (BMJ), Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Um welche Beschlüsse es sich hier vor allem mit Bezug auf den Straßenverkehr handelt, erfährst du übrigens in diesem Video: Cannabis Legalisierung: Umsetzung in der Praxis
Da diese geplanten Änderungen mit aller Wahrscheinlichkeit zustimmungspflichtig, durch den Bundesrats sind, kann die Legalisierung genau hier scheitern. Besonders, der einer Legalisierung kritisch gegenüberstehenden CDU/CSU, kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.
Hessen als letzter Trumpf
Nach den Wahlen in Niedersachsen am neunten Oktober ist die CDU/CSU nur noch in 8 von 16 Landesregierungen mit insgesamt 39 Stimmen im Bundesrat beteiligt. Landesregierungen ohne CDU/CSU kommen derzeit auf 30 Stimmen. Da es für ein zustimmungspflichtiges Gesetz eine absolute Mehrheit von 35 Stimmen benötigt, wäre es der CDU/CSU möglich, die Legalisierung aktuell im Bundesrat zu blockieren. Es gibt jedoch einen Lichtblick, und zwar die Landtagswahlen im nächsten Jahr. Zum einen wählt Bremen im Mai und Bayern im September, wobei hier vermutlich alles beim Alten bleiben wird. Zum anderen wählt aber im Herbst 2023 auch Hessen, wo sich durch einen eventuellen Regierungswechsel zu Rot-Grün oder einer Ampel, eine Schicksalswahl für die Cannabislegalisierung abzeichnet. Sollte die CDU/CSU aus der Landesregierung in Hessen fliegen, würde das vermutlich 5 weitere Stimmen im Bundesrat bedeuten, womit man die nötige absolute Mehrheit von 35 punktgenau erreicht hätte. Aber selbst, wenn innenpolitisch der Weg frei wäre, gibt es außenpolitisch noch so einiges zu klären.
Probleme mit UN und EU-Recht
Deutschland hat international gleich mehrere Vereinbarungen, die einer Legalisierung von Cannabis im Weg stehen könnten. Mit den Vereinten Nationen wurde 1961 ein völkerrechtlicher Vertrag geschlossen, der vorschreibt, dass Drogenanbau und -besitz verfolgt werden müsse. Das Schengen-Abkommen von 1985, das Grenzüberschreitungen innerhalb von EU-Mitgliedern und bestimmten anderen Ländern, sogenannten „Schengen-Staaten“, ohne Personenkontrolle erlaubt, verbietet eine Legalisierung von Drogenbesitz. Zu guter Letzt schreibt ein EU-Abkommen aus 2004 vor, dass Herstellung, Anbau, Verkauf, Transport, Versand oder Ein- und Ausfuhr von Drogen bestraft werden muss. In diesem Beschluss wird zudem Bezug auf ein Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1971 genommen, in welchem Cannabis als „Droge“ definiert und zu den psychotropen Stoffen gezählt wird. Das alles zusammengenommen, lässt eine Legalisierung doch ziemlich hoffnungslos erscheinen, oder?
Praxis in anderen Ländern
Auch wenn Karl Lauterbach droht, der Andreas Scheuer der Cannabislegalisierung zu werden, muss man aber auch sagen, dass wir in Deutschland nicht die ersten sind, die eine Legalisierung von Cannabis anstreben und gleichzeitig an internationale Verträge gebunden sind. Kanada hat im Oktober 2018 Cannabis legalisiert und ignoriert bisher den Vertrag mit der UN ganz einfach. In Spanien ist der Konsum in speziellen „Social Cannabis Clubs“ erlaubt und in Luxemburg sowie Tschechien ist der Anbau bis zu einer bestimmten Grenze straffrei. Die Niederlande als bekanntes Beispiel, haben interessanterweise Cannabis überhaupt nicht legalisiert und es gilt strenggenommen das sogenannte „Opiumgesetz“, wie die Praxis, in zum Beispiel Amsterdam jedoch aussieht, ist vermutlich jedem bekannt. Portugal hat hingegen als Vorreiter bereits 2001 Drogenbesitz legalisiert, maximal als ordnungswidrig eingestuft und setzt auf Beratung, Prävention und Hilfsangebote.
Falls die Legalisierung von Cannabis in Deutschland aus einem der oben genannten Gründe scheitert, wäre eine Entkriminalisierung, wie sie neben Portugal auch Belgien eingeführt hat, eventuell ein gangbarer Zwischenschritt hin zu einer kompletten Legalisierung in ferner Zukunft. Wir wollen für alle Sympathisanten der Legalisierung jetzt aber auch nicht den Teufel an die Wand malen, der optimistische Blick nach Hessen und auf die Situation in anderen EU-Ländern oder Kanada, lässt hier noch Grund zur Hoffnung.
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